Nutting Day – Tag des Nüssesammelns in Großbritannien

Schon gewusst? Die volkstümliche Tradition der britischen Inseln kennt den 14. September als sogenannten Nutting Day (alternativ auch: Day of the holy nut – dt. Tag des Nüssesammelns oder: Tag der Haselnuss). Grund genug, die Geschichte dieses Brauchs auch im Kalender der kuriosen Feiertage aus Welt zu erzählen. Worum geht es dabei?

Nutting Day in Großbritannien. Kuriose Feiertage - 14. September © 2022 Sven Giese – Bild 1
Nutting Day in Großbritannien. Kuriose Feiertage – 14. September © 2022 Sven Giese – Bild 1.

Wann ist Nutting Day?

Auf den britischen Inseln findet der Tag des Nüssesammelns oder Tag der Haselnuss (engl. Nutting Day – alternativ auch: Day of the holy nut) traditionell immer am 14. September statt. Er ist somit eine kalendarische Parallelveranstaltung zum christlichen Gedenktag der Kreuzerhöhung bzw. dem Fest der Erhöhung des Heiligen Kreuzes (engl. Holy Rood Day, Holy Cross Day oder auch: St. Cross Day).

JahrDatumWochentag
202214. SeptemberMittwoch
202314. SeptemberDonnerstag
202414. SeptemberSamstag
202514. SeptemberSonntag
202614. SeptemberMontag
202714. SeptemberDienstag
202814. SeptemberDonnerstag
202914. SeptemberFreitag
203014. SeptemberSamstag
203114. SeptemberSonntag
203214. SeptemberDienstag

Weshalb fällt der Nutting Day auf den 14. September?

Bei näherer Betrachtung ergibt sich gleich eine doppelte mögliche Begründung für die Wahl des 14. September als Datum des britischen Nutting Day. Diese ergibt sich aus einer Verbindung des ruralen Kalenders der britischen Inseln und dem Fest der Erhöhung des Heiligen Kreuzes im Kirchenjahr. Siehe dazu auch den Beitrag zum irischen Women’s Christmas (gälisch: Nollaig na mBan – dt. Weihnachtsfest der Frauen)

Der September als Zeit der Haselnussernte

Der September gilt in England als traditionelle Zeit der Haselnussernte. Etwa Mitte September reifen die Haselnüsse (engl. filberts) in den Hecken und dementsprechend galt der 14. September auch als Tag, an dem die Menschen zum Sammeln von Nüssen loszogen. Siehe dazu auch den Beitrag zum Tag der Nuss (engl. National Nut Day) am 22. Oktober, der sowohl in Großbritannien als auch den USA gefeiert wird.

Wie so häufig bei Pflanzen sind auch mit dem Haselstrauch eine Menge Folklore und Legenden verbunden. Gerade die keltische Tradition der britischen Inseln dürfte hier eine große Rolle gespielt haben. Exemplarisch sei hier auf den britischen Mistelzweig-Tag (engl. National Mistletoe Day) am 1. Dezember verwiesen.

Man ging nicht nur davon aus, dass die Haselnüsse an diesem Datum erntereif waren, sondern auch magische Eigenschaften besaßen. Beispiel gefällig? Kein Problem.

In dieser Tradition steht der Haselnussstrauch als Mitglied der Familie der Birkengewächse primär mit dem keltischen Baummonat Coll in Verbindung. Dieser erstreckt sich vom 5. August bis zum 1. September, wobei das Wort Coll sich sinngemäß mit „die Lebenskraft in dir“ übersetzen lässt. Ferner steht die Haselnuss in Verbindung mit Weisheit und Schutz, sodass sie häufig in der Nähe heiliger Brunnen und magischer Quellen wachsen. Dies mag auch erklären, weshalb die reife Haselnuss ein beliebtes Utensil der Wahrsagerei und des Wünschelrutengehens darstellt.

Nutting Day in Großbritannien. Kuriose Feiertage - 14. September © 2022 Sven Giese – Bild 2
Nutting Day in Großbritannien. Kuriose Feiertage – 14. September © 2022 Sven Giese – Bild 2.

Die Verbindung zwischen dem Fest der Kreuzerhöhung und der Haselnuss

Der 14. September steht in nahezu allen christlichen Konfessionen für Kreuzerhöhung oder Fest der Erhöhung des Heiligen Kreuzes. Während die römisch-katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen dies tatsächlich als Fest im Kirchenjahr führen, gilt der Termin in der armenischen Kirche und protestantische Gemeinschaften nur als Gedenktag (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten).

Die Vorgeschichte der Kreuzerhöhung ist auf den ersten Blick etwas verworren, bezieht sich aber wesentlich auf folgende Ereignisse.

  • Der Legende nach wurden am 13. September 326 Teile des Holzkreuzes gefunden, an dem Jesus Christus zu Tode gekommen war.
  • Mit diesem Fundstück wurde am 13. September 335 die heutige Auferstehungskirche (heute: Grabeskirche) in Jerusalem geweiht.
  • Am 14. September 335 präsentierte dann der damalige Bischof Makarius I. erstmals die Reliquie dem Volk. Auf diese Darreichung zur Verehrung spielt die Bezeichnung der Kreuzerhöhung an.
  • Während der Eroberung Jerusalems durch persische Großkönig Chosroes II. im Jahr 614 wurde auch die Reliquie des Kreuzes entwendet und Grabeskirche zerstört. Heraklius, Kaiser von Byzanz besiegte Chosroes schließlich 627 und brachte im folgenden Jahr das Kreuz wieder nach Jerusalem, wo es in der wiederaufgebauten Kirche seinen Platz fand (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten).

Grundsätzlich sind sich alle Quellen darüber einig, dass nicht ganz klar ist, wie die Verbindung zwischen dem 14. September als Kreuzerhöhung und dem Sammeln von Nüssen entstanden ist. Ob dies eher einen historischen Zufall darstellt oder die Verbindung über den englischen Begriff Rood (= rod, dt. Holzstab oder Holzstück) zu lesen ist, bleibt unklar. Wobei die inhaltliche Brücke über den keltischen Baummonat Coll und dem Heiligen Holzkreuz als Symbol des Christentums naheliegt.

Tatsächlich mag hier aber noch ein anderer Aspekt eine Rolle gespielt haben. Denn auf dem europäischen Festland drehten sich zu dieser Jahreszeit viele Erntedankfeste um Weintrauben. Siehe dazu auch den Beitrag zum Tag des Weins (engl. National Wine Day) am 25. Mai. Da England seit dem Abzug der Römer keinen verbreiteten Weinanbau mehr betrieb, drehten sich die Erntedankfeste um lokal geerntete Feldfrüchte wie Nüsse oder Hopfen (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten). Insofern besteht hier auch eine inhaltliche Verbindung zu den britischen Traditionen anlässlich des Michaelstag am 29. September.

Steve Roud, ein renommierter britischer Experte für Folklore und Aberglauben, geht in seinem Werk „The English Year. A month-by-month guide tot he nations customs and festivals, from may day to mischief night“ (Penguin 2006) davon aus, dass in dieser Verbindung mindestens 450 Jahre zurückreichende Folklorestränge zusammenlaufen. Dabei verortet er die erste schriftlich erwähnte Verbindungen zwischen dem Holy Rood Day und dem Nutting Day in einer Tradition in Eton aus dem Jahr 1560. Quelle sind hier die Aufzeichnungen des Antiquars John Brand. Brand berichtet davon, dass die Jungen des Ortes am 14. September einen halben Tag schulfrei bekamen, um Nüsse sammeln zu gehen (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten).

Nutting Day in Großbritannien. Kuriose Feiertage - 14. September © 2022 Sven Giese – Bild 3
Nutting Day in Großbritannien. Kuriose Feiertage – 14. September © 2022 Sven Giese – Bild 3.

Brauchtum und Hintergründe rund um den Nutting Day in England

Es sind einige Bräuche zum 14. September als Nutting Day überliefert. So finden sich in zahlreichen Berichten von den britischen Inseln die folgenden Besonderheiten dieses Festes:

  • Jahrhundertelang war der Nutting Day ein traditioneller, ruraler Feiertag in England, an dem sowohl die Bauern als auch die Oberschicht zur Nussernte. Wobei der Schwerpunkt hier tatsächlich auf den Haselnüssen lag.
  • Mithilfe der sogenannten Nusshaken wurden die Äste der Bäume nach unten gezogen, um das Pflücken zu erleichtern.
  • Zur Ausstattung sollen hier immer auch Körbe mit entsprechender Verpflegung gehört haben. Immerhin galt der 14. September als festlicher Tag, an dem die Arbeit in den Hintergrund rückte.
  • In einigen Regionen war der 14. September als Nutting Day vor allem Tag für die Schulkinder, die an diesem Datum freibekamen, um zur Nussernte zu gehen.
  • Eine englische Legende besagt, dass Mädchen und junge Frauen, die am Nutting Day teilnehmen, Gefahr laufen, unverheiratet schwanger zu werden. Dies dürfte aber weniger mit der Fruchtbarkeitsassoziation von Nüssen zu tun haben, als vielmehr einen pragmatischen Grund als Ursprung haben. Denn der Nutting Day bot Jungen und Mädchen im Teenageralter die Gelegenheit, unbeaufsichtigt in die Wälder zu gehen. Steve Roud weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Redewendung „Going a-nutting“ in vielen Liedern und Theaterstücken des 16. und 17. Jahrhunderts als Synonym für Verführung und Sex auftaucht (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten).
  • Der Nutting Day hatte besonders für Klöppler und Klöpplerinnen eine symbolische Bedeutung. Denn vom 14. September bis zum Faschingsdienstag im Frühjahr musste man eine Kerze benutzen, um seine Arbeit zu beleuchten (siehe dazu auch den Beitrag zum Shrove Tuesday Pancake Day).

Nutting Day am 14. September vs. Devil’s Nutting Day am 21. September

Im Rahmen des Brauchtums zum Nutting Day taucht aber noch ein anderes Phänomen auf. Nämlich die Verbindung zum sogenannten Devil’s Nutting Day. Während in einigen Regionen der britischen Inseln auch der 14. September als Datum für diese Variante dokumentiert ist, legen die meisten Quellen diesen Anlass auf den 21. September.

Unabhängig vom jeweiligen Datum verweist das Brauchtum übereinstimmend darauf, dass man an diesem Tag auf keinen Fall zur Nussernte losziehen sollte. Satan war unterwegs, um seine eigenen Vorräte zu sammeln, und man sollte ihm besser nicht im Wald begegnen. Hier liegen wahrscheinlich ähnliche Wurzeln zugrunde, die auch das Brauchtum rund um die Rauhnächte zwischen den Jahren definiert haben.

In einigen Gegenden Großbritanniens ist dieses Verbot deutlich ausgeweitet. So durften Nüsse grundsätzlich nicht an Sonntagen gepflückt werden (siehe dazu auch den Beitrag zum Nimm-Dir-ein-paar-Nüsse-Tag (engl. National Grab Some Nuts Day) am 3. August).

Eine andere Version der Geschichte findet sich in der Region Warwickshire. Hier erzählt die Legende, dass der Teufel Haselnüsse sammelte und zufällig der Jungfrau Maria begegnete. Er war so erschrocken, als er sie sah, dass er seinen Sack mit Nüssen fallen ließ, der sich in einen Hügel verwandelte, der „Devil’s Nightcap“ genannt wurde. Weshalb die Muttergottes allerdings ausgerechnet in der mittelenglischen Grafschaft unterwegs war, ist nicht überliefert. Dies gilt auch für die Frage, ob auf diesem Hügel besonders viele Haselnüsse wachsen. ;)

Wer von euch nichts mit Haselnüssen anfangen kann, für den/die bietet der 14. September einige kalendarische Alternativen. In Großbritannien steht dieses Datum auch für den National Quiet Day (dt. Tag der Ruhe oder auch: Tag der Stille). In den USA feiert man dies als Tag der Berliners (engl. National Cream-Filled Donut Day) und als Iss-ein-belegtes Baguette-Tag (engl. National Eat a Hoagie Day). Ein ernstes, aber wichtiges Thema behandelt der International Talk about Cancer Day.

Nutting Day in Großbritannien. Kuriose Feiertage - 14. September © 2022 Sven Giese – Bild 4.
Nutting Day in Großbritannien. Kuriose Feiertage – 14. September © 2022 Sven Giese – Bild 4.

In diesem Sinne, euch allen einen entspannten Nutting Day.

Egal, ob in Großbritannien, in Deutschland oder sonst wo auf der Welt. :)

Weitere Informationen und Quellen zum englischen Nutting Day am 14. September