Michaelstag in Großbritannien – The Day the Devil Spit on Your Blackberries

Zum Michaelstag am 29. September sollten alle Brombeeren gepflückt und gegessen sein. Zumindest in Großbritannien, wo man dieses christliche Fest auch als The Day the Devil Spit on Your Blackberries (dt. der Tag, an dem der Teufel auf die Brombeeren spuckte) kennt. Grund genug, die Geschichte dieser Verbindung auch im Kalender der kuriosen Feiertage aus aller Welt zu erzählen. Worum geht es dabei?

Michaelstag in Großbritannien - The Day the Devil Spit on Your Blackberries. Kuriose Feiertage - 29. September © 2022 Sven Giese - Bild 1
Michaelstag in Großbritannien – The Day the Devil Spit on Your Blackberries. Kuriose Feiertage – 29. September © 2022 Sven Giese – Bild 1

Michaelstag oder Michaelistag als Gedenktag des Erzengels Michael

Wann ist Michaelstag?

Das Fest des Erzengels Michael (auch Michaelstag, Michaelistag oder Michaeli) fällt immer auf den 29. September. Zu beachten ist hier aber die Einführung des gregorianischen Kalenders, der sich auch auf dieses Datum auswirkte.

So führten die Briten diesen Kalender im Jahr 1752 ein, wodurch sich Michaelis um 11 Tage auf den 10. Oktober verschob. Dieses Datum taucht in der britischen Tradition auch als Old Michaelmas Day auf (siehe dazu auch die Liste weiterführenden Links unten).

Der Michaelstag als christliches Fest zu Ehren des Erzengels

Tatsächlich gibt es Michaeli bereits seit dem Jahre 813, in dem Ludwig I., König des Fränkischen Reiches und Kaiser, diesen auf dem Konzil von Mainz festlegte.

Die Liturgie für dieses Fest besteht allerdings erst sei 1886. Auf Anordnung von Papst Leo XIII. soll Michael nach der Messe zum Schutz vor Satan und den Mächten des Bösen angerufen werden. Im 20. Jahrhundert erweiterte die katholische Kirche den Gedenktag des Erzengels. So gedenkt der Michaelistag seit 1921 auch den Erzengeln Gabriel und Raphael (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten).

Weshalb fällt der Michaelistag auf den 29. September?

Man geht heute davon aus, dass hier die christliche Liturgie mit dem 29. September eine heidnische Tradition übernommen hatte. Denn diese widmete die Woche ab Herbstbeginn Wotan und Odin, dem Hauptgott in der nordischen und kontinentalgermanischen Mythologie.

Michaelstag in Großbritannien – The Day the Devil Spit on Your Blackberries. Kuriose Feiertage - 29. September © 2022 Sven Giese – Bild 2
Michaelstag in Großbritannien – The Day the Devil Spit on Your Blackberries. Kuriose Feiertage – 29. September © 2022 Sven Giese – Bild 2

Michaelmas als Vierteltag in Großbritannien

In der britischen Tradition gehört Michaelmas zu einem der Vierteltage des Jahres, die seit dem Mittelalter bekannt sind. Sie fielen auf vier religiöse Feste im Abstand von ungefähr drei Monaten und in der Nähe der Sommersonnenwende, der Wintersonnenwende und der beiden Tagundnachtgleichen. Im Detail sind dies: Candlemas (2. Februar), Maitag (1. Mai), Lammas (1. August) und All Hallows (1. November). England, Wales und die Kanalinseln feiern hier – abweichend von Irland und Schottland – die folgenden Termine:

  • 25. März: Lady Day oder Fest der Verkündung
  • 24. Juni Mittsommertag
  • 29. September: Michaelmas
  • 25. Dezember: Weihnachten

Die Vierteltage waren die Termine im Kalender, an denen Bedienstete eingestellt, Schulsemester begonnen und Mieten fällig wurden. Weiterhin sollten sie sicherstellen, dass Schulden und ungelöste Rechtsstreitigkeiten abgeschlossen wurden. An den Vierteltagen mussten Konten abgerechnet, eine Abrechnung vorgenommen und öffentlich erfasst werden. Die faktische Relevanz von Vierteltagen ist heute kaum noch vorhanden, lässt sich aber in einigen Alltagsbereichen nachweisen. So werden unter anderem die Mieten für Immobilien in England oft noch an den alten englischen Vierteltagen fällig. Auch Michaelmas hat seine Spuren in der Moderne hinterlassen.

So markiert der 29. September auch heute noch den Beginn des britischen Schul- und Gerichtskalenders. Der bleibende kulturelle Einfluss dieses Vierteltages im Herbst zeigt sich weiterhin auch darin, dass sich der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, seine Amtszeit immer (noch) am ersten Montag im Oktober beginnt. In der Regel also der erste Montag nach Michaelstag (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten).

Der 29. September im ruralen Jahreskalender

Michaeli war der Beginn des Winterhalbjahres. Es war das Ende der Fischereisaison und der Beginn der Jagdsaison für Großwild. Zu diesem Zeitpunkt war in der Regel die gesamte Ernte eingebracht, sodass auf den Landmärkten die Überschüsse verkauft werden konnten. Es war die Zeit, in der Äpfel geerntet und Apfelwein hergestellt wurde. Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass der Erzengel auch der Schutzheilige der Lebensmittelhändler und Krämer ist.

Weshalb spuckte der Teufel am 29. September auf die Brombeeren?

Im mittelalterlichen England nutzten die Landwirte den Michaelstag, um den Wechsel der Jahreszeiten abzugrenzen. Immerhin fiel der 29. September in eine Zeit des Jahres, in der die Ernte abgeschlossen und die Vorbereitungen für den Winter getroffen wurden. Siehe für ein ähnliches Setting auch die britischen Traditionen des Nutting Day (dt. Tag des Nüssesammelns) am 14. September und dem Mistelzweig-Tag (engl. National Mistletoe Day) am 1. Dezember. Dies gilt auch für das europäische Brauchtum rund um die Rauhnächte.

Michaelstag in Großbritannien – The Day the Devil Spit on Your Blackberries. Kuriose Feiertage - 29. September © 2022 Sven Giese – Bild 3
Die vergoldete Figur des Erzengels Michael im Kampf mit dem Drachen auf dem Koblenzer Tor in Bonn © 2022 Sven Giese.

Michael, Luzifer, der Höllensturz und die Brombeeren

Die vermeintliche Regel, nach dem 29. September auf den Verzehr von Brombeeren zu verzichten, hat allerdings weniger mit dem ruralen Kalender zu tun. Vielmehr ist sie eine Referenz an die christliche Überlieferung und die Geschichte des Höllensturzes rund um den Erzengel Michael. Immerhin der Namensgeber dieses Festes. Was war geschehen?

Die neutestamentliche Offenbarung des Johannes beschreibt den Erzengel Michael in einem eschatologischen Kontext als Bezwinger Satans (Offb 12,7–9 EU). In der großen Schlacht besiegte Michael als Anführer der himmlischen Heerscharen den Teufel in Drachengestalt. Die Geschichte ist allgemein unter dem Begriff Höllensturz oder Engelssturz bekannt, variiert in Details aber je nach Überlieferung. Ein Bild mit großer Wirkkraft. So nutzte die Gegenreformation Darstellungen des siegreichen Erzengels, um politische und religiöse Gegner bloßzustellen (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten).

In Großbritannien dürfte aber John Miltons episches Gedicht Paradise Lost mit dafür gesorgt haben, dass das Bild des gefallenen (verbannten) Engels Luzifer entscheidend ist. Michael stürzte ihn aus dem Himmel und Luzifer wurde zu Satan, dem rachsüchtigen Gegenspieler Gottes.

An dieser Stelle kommen in der englischen Folklore die Brombeeren ins Spiel. Denn als Luzifer auf dem Boden der Hölle aufschlug, landete er in einem dornigen Brombeerstrauch. Aus Wut spuckte er auf den Strauch und verfluchte dessen Früchte. In einigen Regionen berichtet die Legende davon, dass der gefallene Engel hier auf die Brombeeren uriniert haben soll. Oder beides. ;)

Warum soll man nach dem 29. September keine Brombeeren mehr essen?

Gemäß dieser Überlieferung ist also nicht ratsam, Brombeeren nach dem 29. September zu verzehren. Es ist zwar nicht klar, weshalb man dann die Früchte für den Rest des Jahres essen darf. Aber die Vorstellung, dass Satan persönlich auf den Wildbeeren herumgetrampelt, sie bespuckt und möglicherweise darauf uriniert hat, ist nicht wirklich erbaulich.

Demgemäß führen einige US-amerikanische Online-Kalender dieses Datum auch als National Poisoned Blackberry Day (dt. Tag der vergifteten Brombeeren).

Aus dieser Vorstellung hat sich dann eine ganze Reihe an Traditionen entwickelt. Die beste Art, die übrig gebliebenen Beeren zu verzehren ist sicherlich, hieraus einen Kuchen zu backen. Auf den britischen Inseln backt man daher auch den Michaelmas Blackberry Pie. Auch Marmelade dürfte sich anbieten (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten).

Aber lassen wir einmal Tod und Teufel außen vor, so ergibt der etwas wissenschaftlichere Blick auf die Geschichte einen deutlichen Hinweis. Denn zum Herbstbeginn Ende September/Anfang Oktober beginnt ein Großteil der Früchte zu verschimmeln. Hier legt sich der graue Schimmelpilz Botrytis cinerea über die Brombeeren und verleiht ihnen ein unappetitliches Aussehen. Die optische Verbindung zu den imaginären Speichelresten des Teufels ist dann nicht mehr weit.

Eine andere Theorie besagt, dass diese Vorstellung auf das 18. Jahrhundert zurückgeht. In dieser Zeit war der Tod bei der Nahrungssuche noch recht häufig, hauptsächlich wegen Vergiftungen durch Früchte, Pilze und Beeren. Offen bleibt in dieser Variante dann aber, weshalb es ausgerechnet die Brombeeren getroffen hat (siehe dazu auch den Beitrag zum US-amerikanischen National Wild Foods Day (dt. Tag der wild wachsenden Nahrung) am 28. Oktober). Aber hier kann man dann wieder den Fürsten der Hölle ins Spiel bringen.

Michaelstag in Großbritannien – The Day the Devil Spit on Your Blackberries. Kuriose Feiertage - 29. September © 2022 Sven Giese – Bild 4
Michaelstag in Großbritannien – The Day the Devil Spit on Your Blackberries. Kuriose Feiertage – 29. September © 2022 Sven Giese – Bild 4

Wer von Euch nichts mit Brombeeren, dem Erzengel Michael und dem Teufel persönlich anfangen kann, für den/die bietet der 29. September einige kalendarische Alternativen. In den USA feiert man dieses Datum als Tag der Biscotti (engl. National Biscotti Day). International steht der 29. September auch für den Weltherztag (engl. World Heart Day).

In diesem Sinne: Guten Appetit und Euch allen einen entspannten Michaelstag. Egal, ob in Großbritannien, in Deutschland oder sonst wo auf der Welt. :)

Weitere Informationen und Quellen zum britischen Devil Spits Day am 29. September