Bloomsday in Irland – ein literarischer Feiertag zu Ehren des James Joyce Romans Ulysses

Der 16. Juni 1904 ist für den irischen Annoncenmakler Leopold Bloom ein ganz normaler Tag, an dem er seinen alltäglichen Verrichtungen und Geschäften in der irischen Hauptstadt Dublin nachgeht. Soweit eigentlich nichts Besonderes, wenn dies nicht zugleich die Grundlage eines der bekanntesten Bücher des 20. Jahrhunderts darstellen würde. Worum es dabei geht und warum dieser Anlass als internationaler Bloomsday einen festen Platz im Kalender der kuriosen Feiertage aus aller Welt verdient, versucht der vorliegende Beitrag zu erörtern.

Bloomsday. Kuriose Feiertage - 16. Juni © 2020 Sven Giese
Bloomsday. Kuriose Feiertage – 16. Juni © 2020 Sven Giese.

Wann ist Bloomsday?

Seit 1927 feiern Fans des James Joyce Romans Ulysses den sogenannten Bloomsday traditionell immer am 16. Juni des Jahres.

JahrDatumWochentag
202316. JuniFreitag
202416. JuniSonntag
202516. JuniMontag
202616. JuniDienstag
202716. JuniMittwoch
202816. JuniFreitag
202916. JuniSamstag
203016. JuniSonntag
203116. JuniMontag
203216. JuniMittwoch
203316. JuniDonnerstag

Weshalb fällt der Bloomsday auf den 16. Juni?

Leopold Bloom ist der fiktive Protagonist in Ulysses, dem im Jahre 1922 publizierten Hauptwerk des irischen Schriftstellers James Joyce (1882–1942), der hier in 18 Episoden minutiös die (häufig trivialen) Ereignisse und Begegnungen eines labyrinthischen Gangs durch Dublin am 16. Juni 1904 beschreibt. Fans des Romans haben daher in Anlehnung an den Namen der Hauptfigur den  16. Juni zum Bloomsday erklärt. Passt also – ähnlich wie der Towel Day – Handtuchtag und dem internationalen Wear the Lilac Day am 25. Mai – ganz wunderbar in die Kategorie: kuriose Feiertage mit literarischem Bezug.

Wer hat den Bloomsday ins Leben gerufen?

Obwohl die meisten Leute den Bloomsday mit Dublin und Irland in Verbindung bringen, reichen seine Wurzeln bis auf den europäischen Kontinent zurück. Siehe dazu auch den Beitrag zum Internationalen Tag der keltischen Kunst (engl. International Day of Celtic Art) am 9. Juni. So berichtet Joyce in einem Brief vom 27. Juni 1927 an seine Mäzenin Harriet Shaw Weaver von einer Gruppe Leute, die den 16. Juni als Bloom’s Day zu Ehren des Romans feierten. Dies gilt allgemein als erste schriftliche Erwähnung des Bloomsday (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten).

Die Vorläufer des Bloomsday: Das französische Déjeuner Ulysses im Juni 1929

In diesen Zeitraum fällt auch Feierlichkeit, die von vielen Joyce-Fans als erste öffentliche Bloomsday-Feier gilt. Joyce hatte 1929 in der Nähe von Versailles ein Hotel namens Leopold entdeckt und neben seiner Familie auch seine Verlegerin Sylvia Beach sowie einige befreundete Schriftsteller zu einem sogenannten déjeuner Ulysses geladen. Unklarheit herrscht hier allerdings über den Grund und das genaue Datum dieser Feierlichkeit:

  • Während die einen hier auf das 25. Jubiläum des in Ulysses beschriebenen Tages am 16. Juni 1904 verweisen, nennen andere in diesem Zusammenhang das Erscheinen einer neuen französischen Übersetzung als Grund. Am wahrscheinlichsten scheint mir aber eine Mischung aus beiden Aspekten.
  • Als Termin nennen die meisten Quellen dann den literaturhistorisch passenden Termin des 16. Juni 1929, andere verweisen hier allerdings auf einen deutlich späteren Termin am 27. Juni.

Während das eigentliche déjeuner Ulysses eine ziemlich festliche Angelegenheit gewesen sein, die vorhandenen Fotos legen diesen Schluss nahe, muss der Rückweg nach Paris ziemlich eskaliert sein. So sollen Joyce und sein irischer Landsmann Samuel Beckett darauf bestanden, an jeder Kneipe anzuhalten, um noch mehr Wein zu trinken. Der Legende nach Beckett dann auch erst am nächsten Tag wieder in Paris aufgetaucht sein (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten).

In den folgenden Jahren fanden zahlreiche Bloomsday-Feiern auch in den USA, in Kanada, Australien und Japan statt. Bis dieser literarische Feiertag allerdings in die irische Heimat des Verfassers zurückkehrte, solle es weitere 25 Jahre dauern.

Patrick Kavanagh, John Ryan und Flann O’Brien: der erste Bloomsday am 16. Juni 1954

Die erste Auflage des irischen Bloomsday fand am 16. Juni 1954 anlässlich des 50. Jubiläums des im Ulysses beschriebenen Tages im Jahr 1904 in Dublin statt.

Initiator war eine kleine Gruppe, die aus dem irischen Literaten Patrick Kavanagh sowie den beiden Dichtern John Ryan und Flann O’Brien bestand. Zur Feier des Tages ein Treffen im Martello Tower abhielt – dem Schauplatz des ersten Kapitels des Buches, der heute James Joyce Tower heißt und ein Joyce gewidmetes Museum beherbergt.

Danach unternahmen sie eine Kutschenfahrt durch Dublin, die dem sechsten Kapitel von Ulysses nicht unähnlich ist. Darf man diversen Berichten glauben, muss dieser Ausflug in einem ziemlichen Besäufnis geendet sein (siehe dazu die Liste der weiterführenden Links unten, aber auch den Beitrag zum internationalen Tag des irischen Whiskeys (engl. International Irish Whiskey Day) am 3. März).

Die Stadt Dublin und der Bloomsday

Ausgehend von diesem ersten Treffen fanden in der Folge jährliche, zunächst allerdings inoffizielle Feierlichkeiten zu Ehren von Joyce und seinem Roman unter der Bezeichnung Bloomsday statt. Die Stadt Dublin selbst sprang erst relativ spät auf diesen Zug auf. Denn erst anlässlich des hundertsten Geburtstags von Joyce im Jahre 1982 beginnt der Bloomsday auch im offiziellen Kalender der Stadt aufzutauchen. Obwohl der Bloomsday auf der grünen Insel nach wie vor nicht über den Status eines gesetzlichen Feiertages verfügt, steht er in vielen englischsprachigen Kalendern gleichberechtigt neben dem irischen Nationaltag, dem St. Patrick’s Day am 17. März. Es gibt nicht wenige Leute, die ihn sogar als zweitwichtigsten Feiertag des Landes bezeichnen.

Nun wissen wir zwar, dass die irische Nation ihre zahlreichen Schriftsteller und Autoren ehrt und achtet, aber ein wesentlicher Grund für die Popularität dieses Anlasses liegt in seiner touristischen Bedeutung für die Stadt Dublin, dem Schauplatz des Geschehens in Ulysses:

So finden nicht nur am 16. Juni selbst, sondern eigentlich das ganze Jahr hindurch geführte Touren durch die irische Metropole statt. Bronzeplaketten im Straßenbelag weisen auf die jeweiligen Orte des Romans hin und Dublin veranstaltete anlässlich des hundertsten Jahrestages des Bloomsday im Roman von April bis August 2004 zahlreiche Feierlichkeiten und Events unter dem Motto ReJoyce Dublin 2004.

Bloomsday. Kuriose Feiertage - 16. Juni © 2015 Sven Giese
Bloomsday. Kuriose Feiertage – 16. Juni © 2015 Sven Giese.

Traditionen: Wie der irische Bloomsday angemessen zu feiern ist

Die Sache mit dem Alkohol spielt aber auch heute noch beim Bloomsday eine zentrale Rolle. Schon in den frühen Morgenstunden des 16. Juni versammeln sich zahlreiche Blooms-Fans an den diversen Orten des Romans oder starten direkt in einem der zahlreichen Pubs in Dublin. Die klassische Variante zur Feier des Bloomsday sollte allerdings die folgenden Stationen enthalten:

  • Start in den Dubliner Eccles Street Nr. 7, Blooms Wohnhaus im Norden der Stadt (Anmerkung: Das Haus wurde inzwischen zwar abgerissen, die orginale Haustür findet sich allerdings in dem nur einige Häuser weiter gelegenen James-Joyce-Centre).
  • Ulysses-Lektüre am Joyce Tower (Sandycove).
  • Nehmen Sie ein Bad am Forty Foot (auch Sandycove).
  • Nach all der Aktion wird es Zeit für einen kleinen Snack. Passend zum Roman wird ein Gorgonzolabrot zusammen mit einem Glas Burgunder bei Davy Byrne’s in der Duke Street 21 (Nähe Grafton Street) zu sich genommen. Stilecht wird dieses Menü natürlich nur am heutigen Bloomsday Karte angeboten.
  • Frisch gestärkt geht es weiter auf der literarischen Tour durch Dublin. Nächster Halt: Sweny’s in Lincoln Place, wo ein Stück Zitronenseife für die Hosentasche gekauft wird. Bei dieser Gelegenheit sollte man dann auch gleich die Petition zum Erhalt des Gebäudes unterzeichnen.
  • Wieder Zeit zum Essen: Zum verspäteten Frühstück gibt es eine in Butter gebratene Schweineniere. Gemäß der Romanvorlage muss diese allerdings leicht angebrannt sein.
  • Vorletzte Station: Am Strand von Sandymount soll man sich unanständigen Dingen hingeben.
  • Endpunkt: Custom House an der Liffey.

Viele Fans zelebrieren diesen Tag, indem sie Kostüme aus König Edwards Zeiten tragen, die zumeist in dunklen Farben gehalten ist. Weiterhin tragen viele Männer zu diesem Anlass einen Qualitätshu – kein Rechtschreibfehler, sondern Leopold Bloom trägt im Roman tatsächlich einen Hu, weil das fehlende T der Aufschrift im Lederband schon abgerieben ist.

Auch das Singen von irischen Folksongs, die im Roman auftauchen, ist weitverbreitet. 2014 gab es für alle deutschen Fans noch einen ganz besonderen Höhepunkt. Denn SWR2 sendete von 8:00 Uhr morgens eine 22-stündige Hörspielfassung des Romans, die als Neubearbeitung des Stoffes sicherlich einen Standard setzen wird. Siehe dazu auch den Beitrag zum Welttag des Hörspiels (engl. World Audio Drama Day) am 30. Oktober.

Wer so gar nichts mit Joyce und/oder der irischen Literatur anfangen kann, für den/die gibt es am 16. Juni alternativ auch den Captain-Picard-Tag (engl. Captain Picard Day). Nicht zu vergessen, den Internationalen Tag der Meeresschildkröten (engl. World Sea Turtle Day) sowie den US-amerikanischen Tag des frischen Gemüses (engl. Fresh Veggies Day) und den Tag der Cannoli (engl. National Cannoli Day).

In diesem Sinne: Euch allen einen tollen Bloomsday.

Egal, ob in Irland, in Deutschland oder sonst wo auf der Welt. :)

Weitere Informationen und Quellen zum Bloomsday in Irland am 16. Juni

Kategorien Hurra für kuriose Literatur, Juni, Kuriose Aktionstage Schlagwörter 16. Juni

3 Gedanken zu „Bloomsday in Irland – ein literarischer Feiertag zu Ehren des James Joyce Romans Ulysses“

  1. Im irischen Städtchen Bruff, Co. Limerick, feiert man den Bloomsday seit einigen Jahren. Ebenfalls mit vielen schön kostümierten Leuten, mit entsprechendem Frühstück, Pubs, Bookmaker, vielen Lesungen, Liedern, Musik, Filmen… Die Stimmung war heute (2016) großartig, Besäufnisse habe ich allerdings nicht beobachtet!

  2. Waere vielleicht gut wenn ihr den Fehler mit dem hundertsten Jahrestag auf den richtigen fuenfzigsten Jahrestag korrigiert, dann hat der naechste Leser vielleicht nicht so einen haenger an diesem Absatz, wie ich ihn hatte. Hab den Absatz bestimmt zehnmal gelesen und erst später im folgendem Absatz erkannt, das ich nicht zu bloede, sondern der Autor einfach nur ein Fluechtigkeitsfehler machte( Kann passieren). Ansonsten ist es sehr gut erklaert.

    • Hallo Kai, danke für den Hinweis.

      Tatsächlich bezogen sich die Feierlichkeiten aber auf das im Buch genannte Jahr 1904, insofern ist die Sache mit den 100 Jahren schon korrekt. Ich habe es aber nochmals etwas deutlicher formuliert.

      VG
      Sven

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