Tag der Buchliebhaber – National Book Lovers Day in den USA

Bücher, Lesen und kuriose Feiertage aus aller Welt mit literarischem Bezug scheinen im vorliegenden Kontext ja immer zu gehen. So auch am 9. August, den unsere transatlantischen Nachbarn in den USA u. a. auch als Tag der Buchliebhaber (engl. National Book Lovers Day oder häufig auch nur kurz: Book Lovers Day) feiern. Grund genug, diesen Anlass mit in die Sammlung der kuriosen Welttage aufzunehmen und seine Geschichte im vorliegenden Beitrag zu erzählen. Worum geht es bei diesem nationalen Ehrentag der Bücherfreunde und Leseratten?

Eine Reihe von Büchern unterschiedlicher Größe und Farbe steht aufrecht in einem Bücherregal.
National Book Lovers Day – Tag der Buchliebhaber in den USA. Kuriose Feiertage – 9. August © 2015 Sven Giese – Bild 1

Wann ist Tag der Buchliebhaber?

Die USA feiern ihren nationalen Tag der Buchliebhaber (engl. National Book Lovers Day) jedes Jahr am 9. August. Fans des gedruckten Wortes sollten sich für die kommenden Jahre daher schon einmal die folgenden Wochentage im Kalender anstreichen:

JahrDatumWochentag
20259. AugustSamstag
20269. AugustSonntag
20279. AugustMontag
20289. AugustMittwoch
20299. AugustDonnerstag
20309. AugustFreitag
20319. AugustSamstag
20329. AugustMontag
20339. AugustDienstag
20349. AugustMittwoch
20359. AugustDonnerstag

Wer hat den National Book Lovers Day ins Leben gerufen?

Wie bei so vielen anderen US-amerikanischen Beiträgen im Kalender der literarischen Feiertage gilt leider auch im Falle des National Book Lovers Day, dass so gut wie nichts über seine Ursprünge bzw. Hintergründe bekannt zu sein scheint. So konnte ich im Zuge der Recherchen für den vorliegenden Beitrag weder konkrete Angaben zu einem möglichen Initiator noch zu dem genauen Gründungsjahr herausfinden. Weiterhin scheint auch nicht ganz klar, ob es sich bei diesem bibliophilen Aktionstag um einen Anlass aus den Vereinigten Staaten (National Book Lovers Day) oder tatsächlich um eine internationale Veranstaltung (International Book Lovers Day) handelt. Beide Varianten finden sich in den vorliegenden Quellen (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten).

Weshalb fällt der Ehrentag der Buchliebhaber auf den 9. August?

Diese Unklarheit setzt sich auch mit Blick auf das gewählte Datum fort. Denn weshalb sich die unbekannten Initiatoren dieses Ehrentags der Buchliebhaber hier den 9. August als Termin ausgesucht haben, scheint nicht näher begründet. Erschwerend kommt hinzu, dass einige Quellen diesen kuriosen Buch-Feiertag als beweglichen Termin am jeweils ersten Samstag im November listen. Wobei diese Variante rein quantitativ in der Unterzahl ist (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten).

Ob es darüber hinaus eine inhaltliche Verbindung zum ebenfalls am 9. August begangenen US-amerikanischen Tag des Milchreis (engl. National Rice Pudding Day), dem Internationalen Ehrentag der Kunst (engl. International Art Appreciation Day) oder dem US-amerikanischen Tag des Vizepräsidenten (engl. National Veep Day) gibt, vermag ich vor diesem Hintergrund nicht zu sagen.

Wie dem auch sei, der heutige Anlass reiht sich ganz wunderbar in die Liste kurioser Feier- und Aktionstage mit einem bibliophilen Hintergrund. Exemplarisch sei dazu auf die folgenden literarischen Termine verwiesen:

Book Lovers Day: Ein Feiertag für Bücher und Leseratten

Nun, was ein Buch ist und dass das Lesen eine der ältesten – und meiner Meinung nach wichtigsten – menschlichen Kulturtechniken darstellt, dürfte allgemein bekannt sein. ;) Etwas erstaunt war ich in diesem Zusammenhang allerdings, dass es laut der UNESCO sogar eine ziemlich genaue Definition darüber gibt, was ein Buch ausmacht.

So findet sich im Rahmen der Recommendation concerning the International Standardization of Statistics Relating to Book Production and Periodicals von 1964 die Festlegung, dass Bücher nichtperiodische Publikationen sind, die einen Mindestumfang von 49 Seiten aufweisen müssen, um im Rahmen der statistischen Erhebung als Buch erfasst werden zu können (siehe dazu auch die Liste der weiterführenden Links unten). Dies aber nur als Randbemerkung, denn wesentlich geht es beim US-amerikanischen Book Lovers Day darum, den 9. August dazu zu nutzen, um eines seiner Lieblingsbücher oder eine Neuentdeckung zur Hand zu nehmen.

Insofern können wir an dieser Stelle auf jeden Fall festhalten: Egal ob Sachbuch, Roman oder eine philosophische Abhandlung, es gibt nichts Besseres als ein gutes Buch, um sich für eine Weile aus der Welt auszuklinken. In diesem Sinne anbei meine ganz persönlichen Top-5-Empfehlungen der Lesejahre seit 2014.

Fünf Leseempfehlungen zum Book Lovers Day 2025

Aller guten Dinge sind fünf. Erst recht im Jahr 2025 mit folgenden fünf Leseempfehlungen zum Book Lovers Day:

  • Wolfgang Büscher – Der Weg. Eine Reise durch die Sahara (2025): Sand, Stille und unendlicher Horizont: Wolfgang Büscher folgt mit Tuareg-Nomaden den Spuren des Wüstenmönchs Charles de Foucauld. Er beschreibt die Sahara nicht als exotische Kulisse, sondern als lebendigen, fordernden Lebensraum. Statt reißerischer Abenteuer inszeniert er ein leises, eindringliches Porträt der Wüste und ihrer Menschen und präsentiert eine Erzählung, die von innerer Einkehr und der Kraft des Unterwegsseins lebt.
  • Anne de Marcken: Es währt für immer und dann ist es vorbei (2025): Eine untote Frau wandert durch eine zerstörte, postapokalyptische Welt, ihr einziger Begleiter: verschwommene Erinnerungen an das vorherige Leben, andere Zombies und temporär eine in ihrem Brustkorb eingenähte, sprechende Krähe, die ebenso weise wie bissig ist. Mal poetisch, mal scharfzüngig erzählt de Marcken davon, wie es ist, wenn sich die Untoten vage erinnern. Es bleibt eine traurige Leere der untoten Hülle und der Verdacht, dass dies nicht immer so gewesen ist. Unterbrochen nur vom unstillbaren Hunger auf Fleisch. Die exzellent von Clemens J. Setz übersetzte Geschichte ist mit ihren 151 Seiten ein kleines Meisterwerk über Trauer und Verlust, Überleben und die kleinen Wunder, die auch im Chaos bestehen. Allein der Einstieg über den abgefallenen Arm der Protagonisten ist reines Lesegold. Zwischen melancholischen Bildern und schwarzhumorigen Momenten entfaltet sich eine vermeintliche Zombiegeschichte, die dabei Raum für Hoffnung lässt. Mein bisheriger Höhepunkt für das Lesejahr 2025.
  • Samantha Harvey – Umlaufbahnen (2024): Ein Tag im All, sechzehn Sonnenauf- und -untergänge, sechs Stimmen, die um die Erde kreisen. Samantha Harvey lässt ihre Figuren aus der Schwerelosigkeit heraus über Erinnerungen, Entscheidungen und die Zerbrechlichkeit des Lebens nachdenken. Poetisch und klar zugleich verbindet sie wissenschaftliche Präzision mit emotionaler Tiefe. Definitiv ein lesenswerter Roman, der vollkommen zu Recht von der Kritik gelobt wurde. Eine Einladung zum Staunen und zum Innehalten.
  • Jonathan Lethem – Der Fall Brooklyn (2025). Wie 2024 bereits erwähnt, zählt der US-Amerikaner Jonathan Lethem zu den Hausheiligen meines Bücherregals und ist werktechnisch inzwischen nahezu vollständig gelesen und vorhanden. Umso schöner, dass zum Jahresbeginn Nachschub in Form eines neuen Romans anstand. Inklusive einer Lesung mit signierter Ausgabe bei der litcologne in Köln. :) Der Roman erzählt Brooklyn in 124 Bildern: Lethem baut aus Miniaturen ein Mosaik, das von den 1970er Jahren bis in die Gegenwart reicht. Er porträtiert Nachbarschaften, Kriminalität, Aufbruch und Gentrifizierung und verwebt kleine Alltagsbeobachtungen mit großen gesellschaftlichen Themen. Das Ergebnis ist ein Stadtteilroman mit Kriminalfall, der fesselt wie ein langer Spaziergang mit offenem Blick und wachen Ohren.
  • Bram Stoker – Das Geheimnis der See (2024): Es ist allgemein in Vergessenheit geraten, dass Bram Stoker zu Lebzeiten ein äußerst produktiver Schriftsteller war, der deutlich mehr als Dracula geschrieben hat. Der mare-Verlag hat sich dieses Umstandes angenommen und einige Frühwerke in seiner Klassiker-Reihe auf Deutsch veröffentlicht. 2024 dann Das Geheimnis der See, welches sich mit den Schlagwörtern: Spuk, Spionage und einem Hauch von Seemannsgarn zusammenfassen lässt. In diesem fast vergessenen Abenteuerroman erzählt Stoker von Visionen, verschlüsselten Botschaften und einem jahrhundertealten Geheimnis an der schottischen Küste. Die Geschichte verbindet mystische Elemente mit klassischer Spannungsliteratur. Die exzellente Neuübersetzung von Alexander Pechmann, der zugleich auch Herausgeber ist, lässt den Roman frisch und packend wirken. Als persönliche Leseerfahrung: Ich bin auf dem Weg zur Arbeit ein paar Mal eine Bahnstation weiter als nötig gefahren, um die jeweilige Passage zu beenden. Wie üblich beim mare-Verlag in einer hochwertigen Ausgabe mit viel Zusatzmaterial und Quellen. Ein Leckerbissen für Fans maritimer Geschichten.

Drei Buchtipps zum Book Lovers Day 2024

Der Trend geht zum Drittbuch. Meine Buchempfehlungen zur 2024er-Auflage des Book Lovers Day:

  • Annie Dillard: In der Zwischenzeit (2023). Ich gebe zu, dass ich ein großes Faible für die Form des Essays habe. Umso schöner, dass der Verlag Matthes & Seitz in seiner Reihe Bibliothek Wildes Wissen die Werke der US-amerikanischen Dichterin und Essayistin Annie Dillard auch auf Deutsch zugänglich macht. Der 2023 erschienene Band „In der Zwischenzeit“ stellt mit scharfem Blick existenzielle Fragen des Menschseins: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Was machen wir hier? Auf der Suche nach Antworten folgt Annie Dillard dem jesuitischen Paläontologen Teilhard de Chardin in die chinesischen Wüsten. Sie beschreibt ekstatische Gotteserfahrungen des chassidischen Judentums, die Bandbreite menschlicher Geburtsfehler, die Terrakotta-Soldaten des Kaisers Shihuangdi, das Schauspiel der Wolken und die Entstehung von Sand. Klingt disparat? Ist es auf den ersten Blick auch, spannt zugleich aber den Rahmen für eine nahezu grenzenlose Gewaltigkeit auf. Dillard liefert eine furchtlose Meditation über Leben und Tod, Gut und Böse, Glauben und Wissen, die den Blick für Wunder – selbst in den abgelegensten Kontexten – schult. Unbedingt lesen und unbedingt auch einen Blick auf ihre weiteren Werke werfen.
  • Jonathan Lethem: Der Stillstand (2024). Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass Lethem in den bisherigen Empfehlungen zum Book Lovers Day fehlte. Tatsächlich zählt der US-Amerikaner zu den Hausheiligen meines Bücherregals. Grund genug, das in diesem Jahr zu ändern. Mit „Der Stillstand“ erzählt Lethem von einer postapokalyptischen Selbstversorger-Enklave auf einer Insel im US-Bundesstaat Maine. Im Rahmen der Postapokalypse funktionieren plötzlich Elektrogeräte, benzinbetriebene Maschinen und Schusswaffen nicht mehr. Eine Begründung bzw. Erklärung liefert der Roman nicht. Die Menschen haben sich mit der Situation mehr oder weniger arrangiert. Vor diesem Hintergrund entfaltet sich die Geschichte des Protagonisten Journeyman, der durch das plötzliche Auftauchen seines alten Bekannten Peter Todbaum mit seiner Vergangenheit als Skript-Doctor in Hollywood konfrontiert wird. Passend zum postapokalyptischen Setting erscheint Todbaum natürlich nicht einfach so, sondern mit einem atomar betriebenen Fahrzeug. Die Geschichte sprüht vor Witz, ironischen Pointen, Plot-Twists und bietet dem Leser/der Leserin eine temporeiche Dramaturgie. Wie fast immer bei Jonathan Lethem spielen hier popkulturelle Referenzen eine große Rolle, wobei sein aktueller Roman zugleich einen verdeckten literaturkritischen Exkurs zu Cormac McCarthys Roman „Die Straße“ mitliefert. Ein tolles Buch, dessen erzählerischer Sog einen großen Lesespaß bedeutet.
  • Thea Mengeler: Nach den Fähren (2024). Lediglich 175 Seiten, die es aber in sich haben. Thea Mengeler erzählt in diesem relativ kurzen Roman über das Leben auf einer Insel. Knapp, präzise, aber auch sehr feinfühlig erzählt sie über das Leben ihrer Figuren auf einer inzwischen fast verlassenen Tourismushochburg. Der Roman verknüpft private und gesellschaftliche Verhältnisse, die in diesem Setting die Lebensentscheidungen der Figuren auf den Prüfstand stellen. Es ist eine melancholische Erzählung über Veränderung und die Rückeroberung des eigenen Lebensraumes, die vieles nur andeutet oder zwischen den Zeilen verhandelt. Ein ganz wunderbares Buch, das für mich zu den Höhepunkten des vergangenen Lesejahres gehört.

Buchempfehlungen zum Book Lovers Day 2023

Neues Jahr, neues Leseglück. Meine Buchempfehlungen zur 2023er-Auflage des Book Lovers Day:

  • Patti Smith: A Book of Days (2022). Der Instagram-Account der US-amerikanischen Godmother of Punk ist einer der ganz wenigen Gründe, sich diese Plattform anzuschauen. Mit A Book of Days sind viele dieser Beiträge und Fotos im vergangenen Jahr in Buchform veröffentlicht worden. Dementsprechend dürften Kenner und Kennerinnen von Smiths Schaffen hier einige Beiträge bekannt vorkommen. Das ist in der vorliegenden Form allerdings auch gar nicht weiter kritisch zu sehen, vielmehr nimmt dieses Kalendarium oder Tagebuch mit 366 Einträgen die geneigte Leserschaft mit in die Welt von Patti Smith. Eine Feier des Lebens, in der ihre Nächsten – tot und lebendig – aus Familie, Musik, Kunst und Literatur gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Ich empfehle hier aber die englischsprachige Originalausgabe, mit der deutschen Übersetzung bin ich zumindest nicht so richtig warm geworden. Das ist aber Geschmackssache.
  • Martin Mulsow: Überreichweiten (2022). Der Historiker Martin Mulsow geht seit einigen Jahren der Frage nach, wie eine globale Ideengeschichte losgelöst von der eurozentristischen Perspektive aussehen könnte. Mit diesem Unterfangen fördert Mulsow anhand einer Reihe von Fallstudien aus der Frühen Neuzeit eine Menge Erstaunliches zutage. Der Fokus auf diese Epoche begründet sich dadurch, so der Historiker, dass sich hier Quellen und Nachrichten aus verschiedenen Regionen der Welt überlagerten, ohne dass solch riskante Referenzen als Verdopplung erkannt wurden. Eine mitreißende und lehrreiche Perspektive auf historische Schlüsselmomente, in denen Wissenskonzepte sehr verschiedener Kulturen aufeinandertrafen. Ein wichtiger und lesenswerter Beitrag zur noch zu schreibenden Weltgeschichte der Ideen.
  • Nell Zink: Avalon (2023): Mit ihrem aktuellen Werk liefert die in Deutschland lebende Kalifornierin Nell Zink eine Mischung aus Sozialdrama, Fantasy und College-Roman. Der Titel ist hier natürlich Programm, denn die Anspielungen auf die Artus-Sage ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Zink erzählt hierin mit beißender Ironie die Geschichte der sozial benachteiligten jungen Frau Brandy im Südkalifornien der Reichen und Schönen. Eine Persiflage auf den American Dream im Stile eines modernen Aschenputtel-Märchens, dessen Protagonistin das zynische System der gesellschaftlichen Gewinner zwar entlarvend beschreibt, die Teilhabe daran aber als alternativloses Ziel sieht. Ein großer Spaß und – wie alles von Nell Zink – eine klare Leseempfehlung.

Fünf Bücher zum Book Lovers Day 2022

Meine Leseempfehlungen zum Book Lovers Day 2022, wobei mir in diesem Jahr auffällt, dass keine Autorin dabei ist. Dies ist aber reiner Zufall. Auf dem Stapel der ungelesenen Bücher gibt es noch reichlich Nachschub. Ich bin nur bisher nicht dazu gekommen. :)

  • Eduardo Lago: Brooklyn soll mein Name sein (2021). Eine schattige Bar in den Docks von Brooklyn, bevölkert von einer Ansammlung seltsamer Gestalten, Seeleute, Einwanderer, Ausgestoßene, die alle an diesem Ort Zuflucht vor der Welt suchen. Im Zentrum: der Schriftsteller Gal Ackerman und sein Traum, mit dem Roman seines Lebens eine einzige Leserin zu erreichen: Nadja Orlov, seine große Liebe aus Kindheitstagen. Soweit der grobe Rahmen. Die Story erzählt Eduardo Largo episodisch und auf den ersten Blick nicht zusammenhängend. Erst im Verlaufe der Lektüre beginnt sich ein Gesamtbild abzuzeichnen. Das fordert den Leser, wirkt aber niemals angestrengt. Dank des (umfangreichen) Personenverzeichnisses und einer Ereignischronologie, die der Autor dem Roman nachträglich hinzugefügt hat, behält man den Überblick. „Brooklyn soll mein Name sein“ ist eine spannende, anspruchsvolle, poetische Geschichte aus New York, die sich über mehrere Generationen (und Länder) erstreckt. Unbedingt lesen!
  • Christoph Peters: Tage in Tokio (2021). Kein Reisebericht im eigentlichen Sinne, aber eine wunderbare Liebeserklärung des deutschen Autors an Japan. Peters unternimmt anhand seines Reisetagebuchs den Versuch, sich dem unbekannten und zugleich faszinierenden Land zu nähern, berichtet aber zugleich auch davon, was diese Annäherung über ihn selbst erzählt. Die Pointe des Textes ergibt sich hauptsächlich aus dem Umstand, dass Peters, der mehrere Romane über Japan geschrieben und die japanische Kultur erforscht hat, zum Zeitpunkt der beschriebenen Reise noch nie in Japan gewesen ist. Ein toller Text. Nicht nur für Japan-Fans.
  • Michele Mari: Alles Eisen des Eiffelturms (2022). Eine magische Tour de Force durch das Europa im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert. Die Protagonisten, Walter Benjamin und Marc Bloch führen uns dabei durch die Stadt der Liebe: Paris. Mit viel Wissen und Sinn für Humor gelingt es Mari, Fiktion und Fakten zu vermischen und dem Leser dadurch einen neuen Blick auf europäische Kultur zu ermöglichen. Manchmal übertreibt es der Text mit seinen Querverweisen, aber das ändert nichts an der Großartigkeit dieser magischen Enzyklopädie unseres vergangenen Jahrhunderts. Zum Glück für alle Liebhaber der anspruchsvollen Literatur hat die edition fototapeta das auf Deutsch eigentlich vergriffene Buch wieder neu aufgelegt. Zugreifen und mitreisen.
  • Sebastian Moll: Lesereise New York. Stories aus einer Stadt im Umbruch (2022). Der deutsche Journalist lebt seit vielen Jahren selbst in New York und hat zahlreiche Reportagen über das Leben im Big Apple und seiner Bewohner publiziert. Der vorliegende kleine Band versammelt einige dieser Geschichten. Ein tolles Buch für New-York-Fans. Hier schreibt ein Autor, der seinen Stoff kennt. Immer reflektiert und unterhaltsam, mit einem gesunden kritischen Blick auf die Stadt, die niemals schläft. Ausdrücklich kein Reiseführer, aber eine Einladung, sich mit New York zu beschäftigten. Klare Empfehlung. Wer neugierig geworden ist, sollte sich auch mal Molls Podcast Manhattan Transfer anhören. Hier tauchen einige Geschichten und Personen des Buches auch nochmals in Audioform auf.
  • Eliot Weinberger: Die Sterne (2021). Das Langgedicht „The Stars“ zählt mit einigem Recht als einer der schönsten Texte des US-amerikanischen Universalgelehrten. Weinberger unternimmt einen Blick in den Sternenhimmel und geht den verschiedenen Antworten, was die Sterne denn nun sind, in diesem Text nach. Mythen und Naturwissenschaften stehen hier gleichberechtigt nebeneinander und eröffnen einen neuen kosmologischen Blick. Der Text ist im Original schon vor einigen Jahren erschienen, wurde vom Berenberg Verlag aber in einem wunderbaren kleinen zweisprachigen Band (deutsch + englisch) neu herausgegeben. Weinberger sollte man immer lesen. Dieses poetische Loblied an die Sterne aber auf jeden Fall.

Das große Lesen in Coronazeiten geht weiter: Leseempfehlungen zum Book Lovers Day 2021

Man gewöhnt sich an viele Sachen, und mit der dritten Welle der Coronapandemie kam dann auch die Lust, zu lesen, wieder zurück. Folgende Leseempfehlungen zum Book Lovers Day 2021:

  • Jamie Attenberg: Ist alles deins! (2021). Die US-amerikanische Autorin hatte ich schon im Rahmen der Buchtipps zum Book Lovers Day 2020 vorgestellt. Auch ihr neuer Roman ist eine klare Empfehlung. Dieses Mal erzählt sie eine ziemlich düstere Familiengeschichte, in deren multiperspektivisch erzähltem Verlauf sich die tiefen Abgründe der Figuren im Verhältnis zu sich selbst und untereinander auftun. So richtig sympathisch findet man im Verlauf der Lektüre eigentlich niemanden mehr. Trotzdem bleibt man dran und möchte wissen, wie die Geschichte am Schluss ausgeht.
  • Mirko Bonné: Seeland Schneeland (2021). Der Titel hält, was er verspricht, denn in dieser Mischung aus großem Abenteuerroman und Liebesgeschichte herrscht konstant schlechtes Wetter. Abgesehen davon ist dies aber eine meisterhafte Erzählung, die poetisch das Thema Sehnsucht und Aufbruch in den Kontext des Jahres 1921 stellt. Definitiv eines der besten Bücher, die ich in den vergangenen Monaten gelesen habe.
  • Robin Robertson: Wie man langsamer verliert (2021). Ein Film Noire in Buchform, der die Geschichte des amerikanischen Traums und seines Scheiterns nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs am Beispiel des Veteranen Walker erzählt. In seiner Struktur pendelt das Werk zwischen Versform und Erzählung, zeichnet auf diese Weise aber ein ziemlich düsteres Bild der Vereinigten Staaten. Vieles von der Zerrissenheit findet sich auch mit Blick auf die Situation im 21. Jahrhundert wieder. Nur, dass Robertson mit dem Jazz der 1940er- und 1950er-Jahre den deutlich besseren Soundtrack hat. Tolles Buch.
  • Sylvia Townsend Warner: Lolly Willowes. Eine Frau wagt die Unabhängigkeit oder Der liebevolle Jägersmann (2021). Der ursprünglich 1926 erschienene Debütroman der britischen Autorin liegt nun in einer modernen deutschen Übersetzung vor. Ob es sich dabei tatsächlich um einen Klassiker der feministischen Literatur handelt, sollen andere beurteilen. Es ist auf jeden Fall ein humorvolles Freiheitsplädoyer für alleinstehende Frauen, der sich neben einem bissigen ironischen Unterton hauptsächlich durch eine starke Protagonistin und wunderbare Landschaftsbeschreibungen auszeichnet. Ein großes Lesevergnügen in toller Aufmachung.
  • Iris Wolff: Die Unschärfe der Welt (2020). Die Autorin erzählt die Geschichte von vier Generationen einer Familie aus dem Banat und deren verschiedenen Neuanfängen. Die Autorin verwebt schwere Themen wie Freundschaft, Hoffnung und Erinnerung mit einer sprachlichen Leichtigkeit, die einen förmlich in die Geschichte(n) hineinschweben lässt. Fantastisches Buch, das völlig zu Recht inzwischen auch mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde.

Lektüretipps aus der Coronazeit: Book Lovers Day 2020

Das Lesejahr 2020 war bisher ziemlich seltsam. Denn auch wenn ich durch den Lockdown des Frühjahres zumindest theoretisch mehr Zeit zum Lesen gehabt hätte, habe ich seltener zum Buch gegriffen, als wenn ich normal zur Arbeit gependelt wäre. Die Zeit im Zug war eigentlich immer fest dem guten Buch zur frühen oder späten Stunde vorbehalten. Das fiel nun für einige Wochen komplett weg, und wenn ich ehrlich bin, habe ich mehr Nachrichten geschaut/gehört als gelesen. Aber so ganz ohne Buch geht es natürlich nicht. Deshalb auch für 2020 einige Buchempfehlungen:

  • Jami Attenberg: Nicht mein Ding (2020): Im Kern die Geschichte einer 39-jährigen, kinderlosen Singlefrau in New York, die dem Leser – trotz aller Tragik – viel über Haltung, Selbstachtung und Widerstandsfähigkeit angesichts der Tücken des Alltags vermittelt. Ich habe große Sympathien für die Protagonistin Andrea entwickelt, da sie mich an vielen Stellen an eine enge Freundin erinnert.
  • Dietmar Dath: Niegeschichte. Science Fiction als Kunst- und Denkmaschine (2019): Science-Fiction ist tot? Von wegen. Dietmar Dath hat mit seiner knapp 1000-seitigen Theoriegeschichte des Genres ein Standardwerk verfasst. Muss man mögen, ist aber – auch mit Blick auf theoretische Implikationen – eine sehr lehrreiche Lektüre. Auch aufgrund des Umfangs aber definitiv ein Beitrag aus der Kategorie schwere Kost. ;)
  • Hari Kunzu: Götter ohne Menschen (2020). Wüste, UFO-Anhänger und mehrere dramatische Familiengeschichten bzw. Einzelschicksale. Der Brite Hari Kunzru lässt in seinem aktuellen Roman verschiedene Zeitebenen und Perspektiven an einem fiktiven Schauplatz in der kalifornischen Mojave-Wüste zusammenlaufen. Spannende und mitreißende Erzählung, die endlich auch auf Deutsch vorliegt.
  • Benjamin Labatut: Das Blinde Licht. Irrfahrten der Wissenschaft (2020). Was haben die Namen Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger, Alexander Grothendieck und Fritz Haber gemeinsam? Alle vier waren Wissenschaftler, deren (theoretische) Entdeckungen die Welt des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt haben. Nicht immer zum Vorteil der Menschheit. Benjamin Labatut erzählt in vier kurzen, teils faktischen, teils fiktionalen Geschichten bzw. Portraits dieser Männer, was passiert, wenn die Grenzen unseres Wissens und des menschlichen Verstandes überschritten werden. Definitiv eines meiner Lektüre-Highlights des Jahres. Unbedingt lesen.
  • Jill Lepore: Diese Wahrheiten. Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika (2019). Noch ein solcher Wälzer. Auf knapp 1100 Seiten liefert die US-amerikanische Historikerin Jill Lepore eine beeindruckende Studie der Geschichte ihres Heimatlandes von den Anfängen bis in die Gegenwart. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit birgt das Werk einen theoretischen Clou in seiner Kernthese. Denn Lepore geht davon aus, dass die aktuell explizit herausgestellte gesellschaftliche Polarisierung keineswegs ein Phänomen der letzten Jahre ist, sondern das Land der unbegrenzten Möglichkeiten von Anbeginn in seiner politischen Struktur begleitet. Auch hier gilt: keine leichte Kost, aber definitiv eine lehrreiche Lektüre mit hohem Erkenntnisgewinn.

Der Trend geht zum Zweitbuch. Buchempfehlungen zum Book Lovers Day 2019

Auch anlässlich des Book Lovers Day 2019 gibt es wieder eine Liste mit fünf Buchempfehlungen, die ich bis dato gelesen habe:

  • Tadeusz Dąbrowski: Eine Liebe in New York (2019). Wer bei diesem mit 144 Seiten nur sehr dünnen Band ausschließlich nach dem Titel geht, dürfte schnell einen falschen Eindruck bekommen. Zwar spielen die Liebe und die Metropole New York hier eine nicht unwesentliche Rolle, trotzdem ist dies kein Kitschroman. Dąbrowski erzählt in poetischer Sprache von einer zufälligen Begegnung zweier Menschen, die sich zumindest zeitweise finden und doch nicht zueinander kommen. Eine Geschichte wie im Rausch. Unbedingt lesen.
  • A.G. Lombardo: Graffiti Palast (2019). Der Debüt-Roman des US-amerikanischen Autors erzählt eine moderne Odyssee durch das von Rassenunruhen geprägte Los Angeles des Sommers 1965. Lombardo lässt seinen Protagonisten Americo Monk als Semiotiker und Stadtforscher durch die Gettos von LA streifen, der auf der Suche nach Graffitis die Geschichte einer Stadt in Revolte hautnah erlebt. Gesellschaftskritik, Bürgerbewegung, Mythologie, Popkultur und urbane Legenden verschmelzen zu einem fantastischen Werk, dessen sprachlicher Rhythmus den Leser in seinen Bann zieht. Ein tolles Buch. Definitiv eines meiner Lese-Highlights im Jahr 2019.
  • Michaela Karl: „Ich würde so etwas nie ohne Lippenstift lesen.“: Maeve Brennan. Eine Biographie (2019). Die gebürtige Irin Maeve Brennan war in den 1950/1960er-Jahren einer der Stars des Magazins New Yorker und Mode-Ikone dieser Zeit: Das Kleine Schwarze, Perlenkette, High Heels und Beehive-Frisur sollen auch das Vorbild für die weltberühmte Figur der Holly Golightly in Truman Capotes Breakfast at Tiffany’s gewesen sein. Michaela Karl schreibt in dieser bemerkenswerten Biografie die Lebensgeschichte einer schillernden Persönlichkeit, für die Glamour, hartes Trinken, eine hohe Arbeitsmoral und eine große Portion Extravaganz immer zusammengehörten. Umso tragischer dann, dass sie schwer krank, vereinsamt und verwirrt in New York verstarb. Im Zuge dieser Biografie solltet Ihr unbedingt auch ein Blick auf die Originaltexte von Maeve Brennan werfen, die 2019 in zwei wunderbaren Sammelbänden im Steidl-Verlag erschienen sind. In der Kombination eine Leseempfehlung. Nicht nur für Fans der Metropole New York.

Leseratten-Futter zum Tag der Buchliebhaber 2018

Neues Jahr, neue Bücher. Selbstredend gibt es anlässlich der National Book Lovers Day auch 2018 wieder eine kleine Liste mit Futter für die Leseratten unter Euch.

  • Felictas Hoppe: Prawda. Eine amerikanische Reise (2018). Wenn sich eine deutsche Büchner-Preisträgerin auf die Fährte einer Amerika-Reise zweier russischer Schriftsteller aus dem Jahr 1935 begibt und dies in einen Roman packt, ist dies allein schon bemerkenswert. Wenn wie im vorliegenden Fall dann auch noch so wunderbares Buch wie der literarische Reisebericht von Felicitas Hoppe herauskommt, verdient es die Aufnahme in die Empfehlungen meiner (bisherigen) Lektüre-Highlights des Jahres. Ich muss gestehen, dass ich die Autorin bis zum Erscheinen dieses Buches kaum auf dem Schirm hatte, umso besser, wenn es infolge einer solchen Empfehlung gleich ein ganzes Werk zu entdecken gibt. In Anlehnung an diesen Reisebericht: Notiert Euch in Eure Notizbücher: Lest Prawda und begebt Euch auf eine zehntausend Meilen Reise durch ein fantastisch unbekanntes Amerika. Unbedingt lesen.
  • Ilja Ilf und Jewgeni Petrow: Das eingeschossige Amerika (2014). Die Vorlage für das zuvor genannte Prawda von Felicitas Hoppe. Die beiden russischen Autoren begeben sich für einen Reportage-Auftrag der Zeitung Prawda im Jahr 1935 in die Vereinigten Staaten. Im Zuge ihrer Rundreise von der Ost- zur Westküste der USA und wieder zurück berichten sie Erstaunliches aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Und dies zu einer Zeit, in dem sich beide Länder wesentlich näher standen, als es die politischen Entwicklungen der Folgejahrzehnte aus heutiger Perspektive erahnen lassen. Ganz wunderbar mit ergänzendem Textmaterial wie Briefen der Autoren, Lesermeinungen usw. als Nachdruck 2014 in der Anderen Bibliothek nochmals aufgelegt. Selbstredend gibt es auch ein Vorwort von Frau Hoppe und die Verbindung der beiden Lektüren macht m.M. den eigentlichen Reiz aus. Nicht nur für Amerika-Fans eine klare Empfehlung.
  • John Fante: 1933 war ein schlimmes Jahr (2017). Fante gilt in den USA als einer der großen West-Coast-Autoren des 20. Jahrhunderts. Sein Werk war hierzulande für lange Zeit allerdings eher unbekannt. Der Aufbau-Verlag hat sich der Sache im vergangenen Jahr angenommen und viele Werke von Alex Capus ins Deutsche übersetzen lassen. Eine sehr persönliche Geschichte über das Erwachsenwerden in der Zeit der großen Depression. Tolles Buch, welches Lust auf weitere Texte des Autors macht.
  • Jacqueline Woodson: Ein anderes Brooklyn (2018). Und weiter geht die Reise durch die Vereinigten Staaten. Dieses Mal führt uns der Weg nach Brooklyn, genauer gesagt ins Bushwick der 1970er-Jahre. Woodson ist in den USA vor allem als Jugendbuchautorin bekannt, legt mit dem vorliegenden Werk aber einen biografisch geprägten Roman über das Aufwachsen, die Freundschaft und das Erinnern in einem sozialen Brennpunkt vor. Erzählt als fragmentarische Episoden und Erinnerungsfetzen, die sich erst am Schluss der Geschichte zu einem Ganzen zusammenfügen. Lesenswert.
  • Jakob Hein: Die Orient-Mission des Leutnant Stern (2018). Zum Schluss noch ein Abstecher in die heimischen Gefilde, wo ich dieses Jahr diesen Roman entdeckt habe. Getarnt als historischer Roman zur Zeit des Ersten Weltkriegs, erweist sich Jakob Heins relativ kurzer Text über die Orient-Mission des deutschen Leutnants Edgar Stern als bitterböse Satire, die mit scharfem Witz die Abgründe und den Irrsinn menschlichen Handelns in Kriegszeiten kommentiert. Orientiert an einer wahren Begebenheit berichtet der Autor, wie das Deutsche Reich versucht, die Muslime dieser Welt durch eine Zirkustruppe auf seine Seite zu ziehen. Ein Geheimtipp, der Lust auf mehr macht.

Buchliebhaber aufgepasst – Buchtipps für den Book Lovers Day 2017

Was wäre der heutige 9. August ohne eine neue Liste mit entsprechenden Lektüre-Empfehlungen? Richtig, gar nichts. ;) Dementsprechend gibt es natürlich auch 2017 wieder eine kleine, aber feine Auswahl mit Buchtipps zum Book Lovers Day. Dieses Jahr im Programm:

Mehrere Bücher stehen aufrecht nebeneinander auf einem Tisch, darunter 'Amerikanische Erfindungen' und 'Weltverändernder Zorn'.
Kuriose Feiertage – 9. August: Tag der Buchliebhaber – National Book Lovers Day USA © 2017 Sven Giese
  • Georg Baselitz und Alexander Kluge: Weltverändernder Zorn: Nachricht von den Gegenfüßlern (2017). Ich kann es nicht oft wiederholen. Alexander Kluge ist einer der ganz großen Autoren und Intellektuellen, den Deutschland noch hat. Auch mit 85 Jahren publiziert der Filmemacher, Fernsehproduzent, Schriftsteller und Drehbuchautor immer noch regelmäßig. Und wird immer besser. Normalerweise sorgt ein neuer Kluge auch für ein entsprechendes mediales Echo, das neueste Werk, eine Kooperation mit dem Maler Georg Baselitz, scheint aber etwas unter dem Radar zu laufen. Grund genug, das mit diesem Buchtipp zu ändern. Unbedingt mal hereinschauen, denn hier sind zwei wahre Altmeister am Werk, die hinreichend erklären, weshalb es sich lohnen kann, japanische Gespenster zu schützen. Denn gute Geister können in modernen Zeiten sehr nützlich sein.
  • Rivka Galchen: Amerikanische Erfindungen (2016). Die kanadisch-amerikanische Autorin hat mit ihrem Erstlingswerk Atmosphärische Störungen (2011) auf sich aufmerksam gemacht. Danach kam aber eine ganze Weile zunächst nichts. Zumindest auf Deutsch. Die vorliegende Kurzgeschichten-Sammlung beendete dieses Schweigen und verschafft dem in Deutschland leider immer noch leicht verpönten Genre der Kurzgeschichte einen sehr lesenswerten und fantasiereichen Auftritt. Quintessenz dieser Geschichten: Man kann und sollte der eigenen Wahrnehmung niemals trauen.
  • Paul Auster: 4321 (2017). Das Opus Magnum eines der großen Autoren bzw. Klassiker der Postmoderne. Trotz aller erzählerischen Finessen und literarischer Experimente ist Auster meiner Meinung nach aber immer dann am besten, wenn er eine Geschichte erzählt. Und das gelingt ihm auf vorliegenden 1264 Seiten ganz hervorragend. Nach oder während der Lektüre dieses Romans unbedingt auch mal einen näheren Blick auf Austers autobiografische Schriften der letzten Jahre werfen. Ein Meisterwerk, dem hoffentlich noch einige weitere folgen werden.
  • Gilles Clément: Die Weisheit des Gärtners (2017). Ich habe ein Faible für Gärten bzw. Gartenarbeit. Denn ein Garten ist nicht nur ein Schutzort für die Pflanzen und den Boden, sondern auch für Ideen. Und die Natur und ihre Bewohner stören sich nicht wirklich an vermeintlichen Grenzen des Gartenzauns. Die vorliegende Textsammlung ist in der Summe eine ganz wunderbare Meditation über einen solchen Ort und die Herausforderungen, die er an einen (angehenden) Gärtner stellt. Lesen.
  • Elliot Weinberger und Shane Cotton: Vogelgeister (2014). Die Zusammenarbeit zwischen dem US-amerikanischen Essayisten und dem Maori-Künstler Cotton erscheint formal zunächst als Gedicht bzw. Lyrik, erweist sich in der Kombination aus Wort und Bild aber viel mehr als fast klassischer Essay, der als Anrufung der alten Vogelnamen und Schöpfungsmythen der Maori die Schönheit der Schöpfung feiert. Ein ganz wunderbarer Band, den der kleine Verlag der Kölner Buchhandlung Klaus Bittner als zweisprachige Ausgabe herausgebracht hat. Achtung: Im September 2017 erscheint ein gleichnamiger Essayband von Weinberger im Berenberg-Verlag, der wohl auch den vorliegenden Text enthalten wird, ansonsten aber als eigenständige und deutlich umfangreichere Publikation gilt. Daher: Unbedingt einen Blick in den Text werfen und sich auch die neue Textsammlung vormerken. Weinberger ist ein Großmeister der Sprache und der Übersetzung.

Buchempfehlungen zum amerikanischen Book Lovers Day 2016

Ich gebe offen zu, dass ich über das Jahr gesehen eine ganze Menge an Büchern regelrecht verschlinge. Dank des morgendlichen und abendlichen Berufspendeln zwischen Bonn und Köln gibt es dafür aber auch genügend Zeit. Nachdem ich in den letzten beiden Jahren bereits einige Empfehlungen gegeben habe, gibt es natürlich auch 2016 wieder eine ganze Reihe an interessanten Publikationen:

Fünf Bücher in einer Reihe auf einem Boden vor einem Bücherregal, darunter 'Man in Profile' und 'Der Mond'.
Kuriose Feiertage – 9. August – Tag der Buchliebhaber – der amerikanische National Book Lovers Day © 2016 Sven Giese-1
  • Bettina Stangneth: Böses Denken (2016). Man kann sich ja grundsätzlich nicht des Eindrucks erwehren, dass in schwierigen Zeiten das Interesse an der Philosophie stark zunimmt. Eine vor diesem Hintergrund sehr lohnende Lektüre stellt das Buch der deutschen Philosophin Bettine Stangneth dar, die sich über Kant und Hannah Arendt dem Problem des Bösen nähert. Kernthese: Böse kann man auch unter Berufung auf die Vernunft sein, und gerade deshalb ist die Philosophie hier gefordert. Danach auch unbedingt einen Blick in die Originaltexte werfen.
  • Elmar Schenkel: Keplers Dämon. Begegnungen zwischen Literatur, Traum und Wissenschaft (2016). Wer sich für die Verbindungen und Querverweise zwischen dem im Titel genannten Bereich interessiert, sollte zu dieser ganz wunderbaren Literaturgeschichte greifen. Man staunt immer wieder, wie vielfältig die diesbezüglichen Verflechtungen sind. Eine wahre Fundgrube für Verweise. :)
  • Patti Smith: M Train (2015). Patti Smith gilt völlig zu Recht als Ikone. Und nach dem großen Erfolg ihres autobiografischen Kids, nun die Fortsetzung. Meiner Meinung nach nicht ganz so gut wie der Vorgänger, aber mit einigen fantastischen Passagen. Vor allem Smiths Empathie scheint grenzenlos zu sein. Falls möglich, unbedingt einen Blick in das englische Original werfen.
  • Joachim Kalka: Der Mond (2016). Eigentlich müsste ich sagen: Wer gute Bücher schätzt, kann blind zu jedem im Berenberg Verlag publizierten Werk greifen. Und erst recht, wenn es von Joachim Kalka stammt. Dieses Mal widmet er sich in einem literarischen Essay dem viel besungenen Topos des Mondes. Ergänzt sich übrigens ganz wunderbar mit dem oben genannten Buch von Elmar Schenkel.
  • Thomas Kunkel: Man in Profile. Joseph Mitchell of The New Yorker (2015). Joseph Mitchell gilt als eine der Ikonen des US-amerikanischen Journalismus im 20. Jahrhundert. Zugleich ist kaum etwas über ihn und den plötzlichen Stopp seines schriftlichen Outputs bekannt. Thomas Kunkel begibt sich in dieser ersten Mitchell-Biografie auf Spurensuche. Derzeit leider nur auf Englisch verfügbar. Unbedingt aber auch mal nach den Textsammlungen von Mitchell schauen. Die liegen inzwischen und zum Glück auch auf Deutsch vor.

Buchempfehlungen zum Tag der Buchliebhaber 2015

Nachdem ich im letzten Jahr an dieser Stelle bereits meine Top-5-Liste der Bücher für die einsame Insel publiziert habe, gibt es heute einige aktuelle Empfehlungen für 2015:

Eine Reihe von Büchern vor einem Bücherregal, darunter 'Reise um die Welt' und 'Die gleißende Welt'.
Kuriose Feiertage – 9. August – Tag der Buchliebhaber – der US-amerikanische National Book Lovers Day © 2015 Sven Giese-2
  • Jürgen Goldstein: Georg Forster: Zwischen Freiheit und Naturgewalt (2015): Johann Georg Adam Forster (1754–1794), seines Zeichens Naturforscher, Ethnologe, Weltreisender, Reiseschriftsteller und Revolutionär, dürfte den meisten Leuten kein Begriff sein. Und das ist bedauerlich. Denn Forster hat dank seiner Aufzeichnungen über die Weltumseglungen mit James Cook ein großartiges Werk geschaffen, das im Rahmen der Aufklärung eine eigenständige Position einnimmt. Ohne seine Reflexionen über die Natur wäre z. B. das Denken eines Alexander von Humboldt nicht möglich gewesen. Der vorliegende Band von Jürgen Goldstein versucht dies zu ändern, indem er keine Biografie im eigentlichen Sinne liefert, sondern Forster anhand seines Werkes analysiert. Unbedingt einen der Begründer der wissenschaftlichen Reiseliteratur neu entdecken.
  • Georg Forster: Reise um die Welt. Illustriert von eigener Hand (2007). Vor dem Hintergrund von Goldsteins Werkstudie ist die Lektüre des Originaltextes natürlich Pflicht. Und den sollte man sich in der Ausgabe des opulenten Bandes der Anderen Bibliothek aus dem Eichborn Verlag gönnen. Ein wunderschöner, großformatiger Sonderband, der neben dem eigentlichen Text der Reisetagebücher auch alle Zeichnungen und Aquarelle, einen biografischen Essay von Klaus Harpprecht sowie einen Epilog von Frank Vorpahl enthält. Kann man sich nicht dran sattsehen, und lesenswert ist das Teil natürlich auch. ;)
  • Siri Hustvedt: Die gleißende Welt (2015). Der neue Roman der US-Amerikanerin ist ein brillantes Spiel mit Perspektiven und Erzählsträngen, begegnet seinen Figuren zugleich aber auch mit großer Empathie. Die Story erzählt grob von der New Yorker Künstlerin Harriet Burden, die aufgrund fehlender Anerkennung durch den Kunstbetrieb zur Selbsthilfe schreitet und drei ihrer Arbeiten von männlichen Künstlern präsentieren lässt. Allerdings verläuft am Ende nicht alles nach Plan und das Spiel mit Identitäten verselbständigt sich. Der Reiz von Hustvedts Roman ergibt sich primär aus dem Umstand, dass die Geschichte rückblickend in Form von verschiedenen Tagebucheinträgen, Interviews und Aufzeichnungen der Figuren erzählt wird. Auch ohne Vorkenntnisse der vielen theoretischen Bezüge (hier vorwiegend Sören Kierkegaard) ein tolles Buch.
  • Hubert Selby: Letzte Ausfahrt Brooklyn (1964). Gelegentlich lohnt es sich, einen Klassiker neu zu entdecken. Selbys Sammlung von sechs Prosastücken ist ein hartes, an vielen Stellen sehr hartes Buch, dessen sprachliche Sezierung menschlicher Abgründe im New Yorker Stadtteil Brooklyn nicht weniger als ein moderner Abgesang auf die amerikanische Gesellschaft der Nachkriegszeit darstellt. Definitiv keine leichte Kost, in seiner Sprachmächtigkeit und Präzision aber absolut beeindruckend.
  • Christoph Kucklick: Die granulare Gesellschaft: Wie das Digitale unsere Wirklichkeit auflöst (2014). In den vergangenen Jahren ist viel über die Vorteile und Gefahren der Digitalisierung geschrieben worden. Manches gut, manches schlichtweg Unsinn. Das vorliegende Buch von Christoph Kucklick ist demgegenüber ein hervorragender und vor allem unaufgeregter Diskussionsbeitrag zu den anstehenden Herausforderungen und eine Aufforderung, die Begrifflichkeiten unseres Menschen- und Gesellschaftsbildes neu zu definieren.

Fünf Bücher für die einsame Insel – Buchempfehlungen 2014

Eine Sammlung von Büchern, darunter 'Moby Dick' und 'Reise ans Ende der Nacht'.
Kuriose Feiertage – 9. August – Tag der Buchliebhaber – der US-amerikanische National Book Lovers Day © 2015 Sven Giese-3
  • Herman Melville: Moby Dick (1851). Eines der lange verkannten großen Werke der modernen amerikanischen Literatur. Es gibt Geschichten, die einen das ganze Leben begleiten, und Melvilles zeitloser Klassiker ist für mich ein solcher Fall. Egal, ob als spannende Abenteuergeschichte des Walfängers Pequod in Form eines Hörspiels bzw. Jugendromans oder später in diversen Übersetzungen: Die Geschichte um die (manische) Jagd nach dem weißen Wal und ihre Protagonisten ist ein stetiger Begleiter. Mein absolutes Lieblingsbuch. Siehe dazu auch den Beitrag zum Welttag des Hörspiels (engl. World Audio Drama Day) am 30. Oktober.
  • Voltaire:Candide (1759): Die satirische Novelle des französischen Philosophen und Aufklärers gehört eigentlich in jedes Bücherregal. Bei mir liegt sie als Taschenbuch immer griffbereit auf dem Nachttisch. Warum? Candide hat zwei wesentliche Qualitäten: Zum einen ein Buch mit einem bitterbösen Humor und einen Aufruf zur Revolte gegen den dummen Ernst der Natur. Sozusagen ein Aufstand gegen die Wildnis, an dessen Ende dem Protagonisten nur noch bleibt, den Garten zu bestellen. Unbedingt lesen. :)
  • Louis-Ferdinand Celine: Reise ans Ende der Nacht (1932). Im Rückblick ist Celine sicherlich eine äußerst fragwürdige Figur, deren politische Ansichten an sehr vielen Stellen einfach unerträglich und inakzeptabel sind. Das scheint ihn aber nicht daran gehindert zu haben, dieses verstörende Meisterwerk der Weltverzweiflung zu schreiben, das in der Summe eine wütende Anklage gegen die Gräuel der Welt des ausklingenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts ist. Keine leichte Kost, definitiv aber lesenswert.
  • Franz Werfel: Stern der Ungeborenen. Ein Reiseroman (1945). Franz Werfel war in den 1920er und 1930er Jahren sicherlich einer der meistgelesenen deutschsprachigen Autoren, ist heute aber (leider) etwas in Vergessenheit geraten. Ein Grund mehr, hier seinen letzten großen Roman, den er zwei Tage vor seinem Tod fertigstellte, zu nennen. Was Werfel hier an Ideen, Traumvorstellungen und Fantasien unter dem Gattungsbegriff des Reiseromans zusammenrührt, ist eine wahre Freude. Auch wenn seine Sprache an einigen Stellen etwas zu lieblich erscheint, unbedingt empfehlenswert für alle Freunde der fantastischen Literatur mit Tiefgang. Allein die Anfangspassagen über den Beginn der Reise sind ein Muss.
  • Alexander Kluge: Das Labyrinth der zärtlichen Kraft (2009). Eigentlich könnte ich an dieser Stelle auf Kluges gesamtes literarisches Werk verweisen. Exemplarisch sei hier aber dieser ganz wunderbare Band genannt, in dem es um die Liebe in all ihren Facetten geht. Man hat Kluge ja häufig eine distanzierte Kälte zu seinen Figuren vorgeworfen. Dass dies aber keineswegs der Fall ist, belegt diese Sammlung von 166 überraschenden Liebesgeschichten. Alexander Kluge in Hochform. Wer jemals an der Liebe zweifelt, der sollte zu diesem Buch greifen.

Die Liste ließe sich sicherlich noch um einige andere Bücher erweitern, aber die fünf genannten sind für mich zeitlos.

Insofern belasse ich es dabei und wünsche Euch allen einen tollen Tag der Buchliebhaber und vor allem viel Spaß beim Lesen. :) Was sind Eure Favoriten?

Weitere Informationen und Quellen zum US-amerikanischen Tag der Buchliebhaber am 9. August